„Romeli char?“

„Welche bist Du?“ fragte mich der ältere Mann, der plötzlich in der Gartentüre stand. „Brigitta var“, „ich bin Brigitte“, mein Auto hatte ich beim letzten Haus in der schmalen Talebene abgestellt und war nun zurück von meinem Streifzug – „aba modi, daliot kavas“, „komm, trinken wir Kaffee“ lud er mich ein. Nach kurzem Zögern folgte ich ihm ins Openair-Wohnzimmer, die Familie war grad am Ausbeineln eines frisch geschlachteten Schafes. Sie feierten etwas (meine Recherchen gaben mir keinen muslimischen Feiertag an) und ich, es war 1. August, hatte ebenfalls was zu feiern.

Im Pankissi Flusstal, Ostgeorgien, leben Kisten, eine ethnische Minderheit, die im 19. Jh. vom nördlich gelegenen Tschetschenien nach Georgien einwanderte. Das kaukasische Bergvolk flüchtete damals u.a. vor muslimischen Übergriffen. Wenn sich die verschiedenen Bergvölker der Nord- und Südseite des Grossen Kaukasus auch immer wieder bekämpften, bzw. auf Raubzügen waren, hatten sie doch eines gemeinsam: Sie lebten den Naturglauben und hatten ihre eigenen Mythologien der Entstehungsgeschichte. Dass im 19. Jh. die Kisten im Pankissital, welches Teil des berühmten Alasanitals ist, siedeln durften, machte der damals verantwortliche Fürst von einem Glaubensbekenntnis zum Christentum abhängig. Mittlerweile sind die meisten Muslime, eine Kirche markiert jedoch noch die Anwesenheit von Christen und der Naturglaube, als gut erprobtes Weltbild, hat durch all die Veränderungen hindurch nicht ausgedient. Die neu gebaute Moschee der Kisten hat mich beeindruckt, eine schönere hab ich in Georgien noch nicht gesehen

Als Kontrast, siehe hier die Moschee kurz vor dem Goderdzipass, Westgeorgien

Wie die Moscheen auch immer aussehen mögen, das war nicht Thema meines spontanen Besuches bei Beyram und seiner Frau Rehani (Rehani ist ein georgisches Wort und heisst zu Deutsch Basilikum). Während ich einen gut süssen türkischen Kaffe schlürfte, kochte Mariam die Innereien des Schafes und ich wurde kurzerhand erste Testerin: Schmeckte gut! Hier ist sie am Kuttelnsäubern, das war zum Testen zum Glück noch nicht bereit

Den Georgier*innen gilt das Tal als suspekt, den Kisten wird nachgesagt, dass sie in terroristische Machenschaften gegen Georgien verwickelt seien. Wobei das einzige Drama, das in letzter Zeit passierte, vom georgischen Geheimdienst ausgelöst wurde: Ein junger Kiste wurde ohne Vorwarnung in seinem elterlichen Haus erschossen, weil er verdächtigt wurde, Teil eines Komplotts gegen die georgische Regierung zu sein. Aufgeklärt wurde der Mord nie.

Nun, öfter zusammen einen Kaffee trinken würde den Beziehungen bestimmt gut tun. Ich fand den Austausch sehr schön, auch wenn ich vielleicht geprüft wurde „welche ich war“.

2 Gedanken zu “„Romeli char?“

  1. Das sind die schönen Erlebnisse, wenn man alleine unterwegs ist.
    Dein Blog erinnert mich immer wieder an meine wunderbare Reise durch Georgien!
    Liebe Grüße aus Wien
    Konstanze

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