Die Duchobor

Der Südwesten Georgiens hat nicht nur eine ganz eigene Landschaft, Flora und Fauna, sondern ist auch sozio-kulturell sehr spannend. Es leben dort mehrheitlich ArmenierInnen, RussInnen und GriechInnen. Schon seit vielen Generationen – das tut der starken Identifikation mit der Heimat keinen Abbruch. In dieser Gegend ist es am besten, wenn man Russisch spricht, das ist die gemeinsame Sprache. Als ich allein unterwegs war, hab ich jedoch gemerkt, dass es auch auf Georgisch geht, es braucht einfach ein wenig Zeit, bis die Leute bereit sind, ihr Georgisch der Schulzeit wieder hervorzuholen. Auch Englisch geht, wenn man Glück hat, vor allem die junge Generation weiss sich zu helfen: Als ich mein schönes Hotelzimmer oberhalb der Automechanikerwerkstätte im Kleinstädtchen Ninotsminda bezog, verständigte sich der Rezeptionist mit mir über ein App. Er sprach auf Russisch ins Mobilephone und dieses übersetzte direkt auf Englisch, schriftlich und phonetisch. Und ich redete ebenfalls in sein Handy, wenn ich was wissen wollte von ihm. Wir lachten.

In Gorelovka, ein grösseres Dorf südlich von Ninotsminda, ist die Hochburg der Duchobor, eine russische Gemeinschaft, die Mitte 19. Jh. aus religiösen Gründen von Russland nach Georgien migrierte. Sie anerkannten die orthodoxe Kirche mit ihren Regeln und Ritualen nicht, für sie galt nur der direkte innere Bezug zu Gott. Auch für Krieg waren sie nicht zu haben. Als sie in die Armee des russischen Königs eintreten sollten, verbrannten sie alle Waffen. Darauf wurden viele nach Sibirien deportiert oder flüchteten nach Georgien. Ende 19. Jh. lebten knapp 10’000 Duchobor in Georgien, heute sind es noch rund 500.

In Gorelovka gibt es bis heute keine Kirche, obwohl viele Armenier und auch Georgier, die von Erdrutschkatastrophen im Küstenhinterland Ajariens hierher umgesiedelt wurden, dazu gekommen sind. Als wichtigste Bauwerke zeigte mir ein Armenier stolz die armenische Schule und die georgisch-russische. Für die Duchobor jedoch ist dies das Zentrum von Gorelovka:

Im hinteren Teil des Parks liegt das Haus, zweites Bild, in dem sich noch heute sechs Oberhäupter der religiösen Gemeinschaft wöchentlich zum Gebet treffen und sich über wichtige Fragen der Gemeinschaft austauschen. Wie aus einem Märchen mutet der Ort an, den ich unverhofft in doch eher einfacher Umgebung entdecken durfte.
„Nein, so genau nehmen wir es mit der Religion heute nicht mehr“, antwortete mir die Leiterin der russisch-georgischen Schule auf meine Frage, ob für sie die Religion ihrer Gemeinschaft noch sehr wichtig sei. „Armenier, Georgier und Russen, leben wir hier alle recht harmonisch miteinander“. Das meinte auch der Polizeichef, den ich, als ich ins Dorf fuhr, spontan nach einer Übernachtungsgelegenheit fragte. Ich sah zuerst einfach zwei Polizisten, die am Strassenrand standen und sehr so aussahen, als hätten sie nichts zu tun. Nach den üblichen Fragen von wo ich komme und was ich in Georgien mache, riefen sie einen Bekannten an. Ja, es gäbe da eine Übernachtungsmöglichkeit, ich könne es mir anschauen gehen. Tipptopp. Der zweite Polizist stieg in den Streifenwagen und fuhr mir voran, auf schrecklich löchriger Naturstrasse. Meine Bleibe stellte sich als einfaches „modernes“ Haus heraus, mit eigenem Hof und mehreren traditionellen unbewohnten Duchoborhäuschen drumrum, diese sind leicht zu erkennen am Grasdach

Es war einigermassen seltsam, alleine dort zu übernachten. Aber der Gastgeber und seine Nachbarin, die Schulleiterin mit ihrer Tochter, luden mich warmherzig ein und so fasste ich Vertrauen in die ungewohnte Situation. Ich schlief im mittleren Haus, wo man mir gut zeigte, wie ich es abschliessen könne. Drinnen mahnten mich zwei Wolfspelze an den Madatapaberg…

Am Morgen wurde mir im renovierten traditionellen Duchoborhäuschen ein Frühstück sondergleichen serviert: Frisches Brot, Wachteleier, Tomaten, Gurken, und – feinster Honig, wirklich, der schmolz direkt auf der Zunge, so was ass ich zum ersten Mal. Ich war hin und weg und gleichzeitig halb verfroren, denn das Häuschen hatte 70 cm dicke Mauern! Für die ungeheizte Übergangszeit nicht ganz ideal. Nun, draussen begann die Sonne zu scheinen und wärmte mich wieder.
Zum Abschluss unten noch das putzige Häuschen von Anita, der Schulleiterin der russisch-georgischen Schule von Gorelovka. „Unsere Schule wurde von Leo Tolstoi Ende 19. Jh. finanziert. Er war Pazifist und unterstützte uns Duchobor wo er konnte!“ gab sie mir mit auf den Weg.

Dukhobor Haus in Gorelovka, Georgien

2 Gedanken zu “Die Duchobor

  1. Liebe Brigitte und Wacho
    ich liebe es deine Berichte zu lesen und somit mehr über Georgien zu erfahren!
    Wir wünschen euch eine schöne Advent Zeit!
    Ganz liebe Grüsse
    Domenica und Reto

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  2. Liebe Domenica, und mir macht es Freude aus Erlebtem nochmal was entstehen zu lassen und es mit anderen teilen zu können! Rückmeldung zu erhalten und so in Beziehung zu bleiben ist wunderbar. Ist Klosters schon ganz im Schnee?
    Auch dir, Reto und all den grösseren und kleineren Kindern um euch rum einen schönen Advent!
    Brigitte & Wacho

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