S’ist wie’s ist

Die georgische Kleinstadt Kaspi im Januar
Farbenfrohes Design der neu gebauten Schule in Kaspi, Region Kartli

Bei schönem Wetter hat die kleine Rayonhauptstadt mit ihren rund 13’000 Einwohner*innen etwas Mediterranes, sie ist ausladend angelegt mit vielen Bäumen, und das Design der neuen Schule kanns mit jenen in Tiflis allemal aufnehmen.
Meint’s der Himmel jedoch weniger freundlich, wirkt sie verloren und das einfache Leben, das die Menschen hier führen, ist leicht abzulesen

Für mich ist Kaspi von unserem neuen Wohnort in 12 km erreichbar und hat ein grosses Plus: Rund um den Marktplatz kann ich zu Fuss alles finden was ich brauche. Ohne Stau und ohne Stress, Beschaulichkeit am Samstagnachmittag, mit ganz eigenem Flair: Der Blumenladen lädt ein, er ist gleichzeitig Coiffeursalon

Historisch ist Kaspi ein schweres Kaliber: Wichtige grosse Handelsstadt an der Seidenstrasse ab dem 4. Jh., im 8. Jh. von den Arabern gelöscht. Natürlich aufersteht sie wieder, die Stadt, wir sind ja schliesslich in Georgien. Nur wenige Kilometer entfernt findet sich ein archäologisches Paradies, das Grakliani-Hügelgelände. Nur ein Bruchteil von seinem Schatz wurde bisher ausgegraben, im 2015 machte man den aktuell wichtigsten Fund: Die Inschrift eines Feueraltars, Teil einer Tempelanlage, datiert auf knapp 3000 Jahre zurück.

Mich führten gestern jedoch ganz praktische Gründe nach Kaspi: Der Schlauch von der Dusche musste ersetzt werden, das Verbindungsteil zur Brause fiel in Stücke nach einem kräftigen Schraubversuch – soviel zu chinesischem Metall, und der Reissverschluss meiner Winterjacke, Sato probierte daran seine Backenzähne aus. Den Schlauch fand ich schnell, dem Handwerksgeschäft im Untergeschoss neben den Bahngeleisen statteten wir schon öfters Besuch ab, wo sich jedoch eine Schneiderei befinde, musste ich zuerst auf dem Markt nachfragen. „Gleich gegenüber, im hohen Haus, 2. Stock“, bekam ich zur Antwort.

Schneiderin in ihrem Atelier, 50 km von der georgischen Hauptstadt Tiflis

Elena war grad am Bügeln, als ich eintrat. Hier wars schön warm! Dank Gasöfeli in der Mitte plus Bügeleisen und Dampf spürte ich einen wohligen Kontrast zum schneidend kalten Wind draussen. „Mit meinen zwei Kolleginnen arbeite ich hier schon seit Jahren auf eigene Rechnung“, erklärte sie mir. In einer Stunde konnte ich die Jacke mit neuem Reissverschluss abholen. Ich war zufrieden mit dem Resultat, ich weiss wie mühsam es ist einen Reissverschluss rauszuoperieren und einen neuen einzusetzen – auch ich hatte schon mal das zweischneidige Vergnügen in einem Schneideratelier zu arbeiten.

Hier sind wir an der Rustaveli Avenue in Tiflis, Sommer 2019