Mura

Du bist mein Begleiter geworden, mein geliebter Freund. Beim Halt auf einem unserer letzten Spaziergänge legtest du die rechte Vorderpfote leicht über mein am Boden ausgestrecktes Bein. Welch überraschende Geste. Als wir uns kennenlernten, hatte dein Blick etwas Gefangenes, eine mechanische Konstruktion im leeren Raum, Zurückweichen war darin, Angst auch. Seitdem ist das Braun deiner Augen samten geworden, warm. Es schaut mich einfach an, oder spürt mich mehr, nicht schweifend, nicht direkt, schlicht da.

Noch vor zwei Jahren wusste ich kaum etwas über Hunde. Ich war unerfahren und gleichzeitig unbefangen, Angst plagte mich keine. Wacho und ich bezogen unser Haus auf dem Lande mit einem jungen Hund dabei. Und du, Mura, schliefst schon seit Jahren auf dem verwitterten Sofa, draussen vor dem Haus, unter der Veranda. Nach einem Jahr verloren wir das Hündchen, schon ein kräftiger Jugendlicher geworden. 

In georgischen Dörfern gibt es viele Hunde, so auch in unserem Quartier. Du warst der Chef, Mura. Jeder Hund, der sich bei uns in die Strasse verirrte, wurde sofort gebeugt. Du sprangst ihm oder ihr auf den Rücken und bissest in den Nacken. Die rohe Gewalt liess mich jedesmal erschauern. Einmal sah ich vom Garten aus, wie ein grösserer Hund, vom kleinen Pfad, der in unsere Strasse mündet, zurück getrippelt kam, verjagt von euch bellender kleiner Schar. Er war grau und kurzhaarig, jedoch nur noch Hinterteil, nur noch Schwanz zwischen die hinteren Lenden geklemmt, es bockte ihn förmlich auf, er war die reine entsetzliche Niederlage, Scham und Qual. 

Deine Schnauze, Mura, wurde immer weisser und du kamst immer seltener mit Verletzungen nach Hause. Mura kämpfte nicht mehr und ging leicht gebückt, aber auch in fremden Territorien reichte ein Fauchen seinerseits und junge, starke Hunde nahmen sich zurück. Nach der Infektion warst du doch wieder munter, aber es dauerte nicht lange, und du legtest dich unter den Tisch der Veranda, ganz im Kreis, die Schnauze am Schwanzansatz. Du warst sehr ruhig, fast nicht mehr da, ich durfte dir ganz nah sein. Du trankst und asst nicht mehr. Nach drei Tagen verliessest du unseren Garten. 

Mura gegenüber von Garikula, Kartli, Georgien

2 Gedanken zu “Mura

  1. Schöne Geschichte, ich freue mich immer mit deiner Worte aus Georgien, die Stimmung dass du uns übermittells, deine Art zu schreiben ist so angenehm. Liebe Grüsse. Fernande

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..