Schwerer Entscheid

Neben meinem Fuss sitzt Tüpfli. Sein Fell ist dichter langer Flaum, darunter spüren meine Hände jedes feine Knöchlein. Auf dem Bauernmarkt ist es mir in die Augen geblitzt, weiss mit schwarzen Flecken, die sich völlig ziellos im Weiss versammelt haben. Der sonntägliche Markt bei uns im Dorf bietet neben Kaninchen, Hühnern und Enten auch Schweinefleisch aus dem Kofferraum, selbstgezogne Samen für Gemüse, Kräutlein und Blumen, Käse und Honig, Gummistiefel, Secondhand-Kleider, selbstgestrickte Mützen, Pfannen und ausgestopfte Wildvögel. Überglücklich trug ich das kleine Sein in meinen Händen nach Hause.
Am nächsten Tag las ich über seine Haltung und blinzelte zwei Mal. Alleine halten ist sowieso verboten und bitte ein Gehege von mindestens 6 m2. Ja natürlich, das leuchtet mir ein, so ein lebhaftes Tier braucht Auslauf und in 40 Jahren ändert sich manches, für die Tüpfli-Ausgabe, die ich als Kind hatte, stellte niemand den engen Käfig in Frage. Schon denke ich über einen passenden Platz im Garten nach. Beginne die Sachlage mit Wacho zu besprechen. “So so. Ein georgisches Kaninchen willst du mitteleuropäisch halten?”, “Ja unbedingt, alles andere wäre Tierquälerei. 60 cm muss das Gehege auch unter der Erde vergittert sein, damit Marder, Füchse, Hunde und Katzen nicht rein kommen.” Der Deutsche Tierschutzverein zeigt als Beispiel ein Gehege, das mir machbar erscheint, ein Dreieckbau, der uns das Flachdach ersparen würde. Wacho zeigt mir ebenfalls verschiedene Möglichkeiten: Ein tragbarer Käfig, den wir drinnen und draussen platzieren könnten. Ein Turm, der auf Bauchhöhe die traditionelle Zelle hat, damit fremde Tiere abgehalten werden. “Oder schenk diesen Hasen doch einfach weiter.” Ich geh hinters Haus schauen wie lang die Holzlatten sind, die dort liegen, und nehme eine mit nach vorne. Lege sie auf das geplante Stück Boden, 3 m. Passt gut. Für das Dreieck müssten die Latten schräg in der Erde stecken, auf dem geplanten Platz mit der Mauer eher schwierig. Unser Garten ist reich bepflanzt mit jungen Fruchtbäumen und einen Teil brauchen wir für den Gemüsegarten, den wir in wenigen Tagen aus der Taufe heben wollen. Wacho ist hinzugekommen und schenkt mir einen schrägen Blick “ich unterstütze dich, Brigitte, wo ich kann.” Wir hatten diesen Winter ein paar handwerkliche Notfälle und fanden zum Glück immer jemanden, der uns rettete. Wacho hätte für seinen Traumberuf als Arzt sicher gute Hände gehabt und ich bin in vielem geschickt, aber die geborenen Handwerker sind wir nicht, ja nicht einmal angelernt. 
Meine Mutter hat heute Geburtstag. Ich ruf sie an und auf meine Tüpfli-Geschichte meint sie beiläufig: “Brings doch wieder zurück”. “Dann würde ich Tüpfli quälerischen Bedingungen überlassen”. 
Zum Hirnauslüften gehen wir mit Sato, unserem jungen Hund, im Wald spazieren. Der Schnee, der wochenlang im Wald lag, hat einem Teppich von Vorfrühlings-Alpenveilchen Platz gemacht, diese sind hier endemisch

Auf dem Weg zurück ins Dorf fahren wir an vielen blühenden Kornelkirschbäumen (Tierlibäumen) vorbei, ihre goldgelben Blüten zeigen sich dem Himmel noch vor den Forsythien. Aus den Früchten macht frau hier sehr gerne Muraba, eine Art flussige Konfitüre, die z.B. zum Tee gereicht wird 

Bildquelle: Internet, blühende Kornelkirschbäume im Wind

“Du wolltest noch beim Laden vorbeischauen, der Handwerkszeug verkauft. Gehen wir?” fragt Wacho. “Ja, aber wir kaufen nur Spaten und Werkzeuge, die wir brauchen für den Gemüsegarten. Das Kaninchen bringe ich nächsten Sonntag wieder zurück oder verschenke es einer Nachbarsfamilie mit Kindern.”

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