Viele gehen, ein paar kommen

Streift man durch ländliche Gebiete, fällt einem auf, dass viele Weideflächen am Verholzen sind. Eine Folge der Landflucht, die seit der Unabhängigkeit von 1991 schleichend stattfindet.

Ein Drittel der 3,5 Mio Einwohner*innen Georgiens lebt heute in Tiflis. Corona hat in der Stadt ein vermehrtes Nachdenken über die Versorgungssituation ausgelöst und der grosse Garten auf dem Lande, die paar Kühe, die der Onkel im Dorf hat, bekamen in den Augen des einen oder der anderen plötzlich wieder Glanz. Selbstversorgung aufersteht in neuem Licht, denn durch sie wäre eine gewisse Unabhängigkeit und Freiheit zu haben.

Steht das Hamsterrad still, gibt es Zeit, um über Vieles nachzudenken. Zu träumen, diskutieren, zu planen, und steht das Rad weiterhin still, kommt man ins Tun. So ist es zumindest bei mir. Ich habe Sehnsucht, in der Natur zu leben. Ausserhalb meiner vier Wände gestalten zu können. Aufzunehmen, was die Natur schenkt, lernen, produktiv werden, teilen, am Entstehen beteiligt sein, führen und mich führen lassen. So weit vom Flughafen entfernt, dass man immer noch Gäste abholen kann, wenn dann wieder welche kommen (können).

So gehen wir denn jetzt manchmal Ecken und Enden anschauen, an denen wir noch nie waren oder schon oft vorbei fuhren, ohne genau zu wissen, wie wir uns zusammenwürfeln sollen. Denn Wacho ist Tifliser und findet nichts dabei, an einer stark befahrenen Strasse zu promenieren – aber auch er hat Träume und Wünsche, die sich in der Stadt nur schwer realisieren lassen. Also bleiben wir im ruhigen Tun und üben uns in Lockerheit.

Der georgische König David der Erbauer, 11./12. Jh., wurde auch König des Waldes genannt: Es wäre doch jammerschade, die Arbeit der Vorfahren, die seither schwitzend und fluchend dem Wald Meter um Meter abrangen, vor die Hunde gehen zu lassen?

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