Im ersten Jahr war es für mich ziemlich schwierig, das hier kaum praktizierte Grüezi und Adieu zu integrieren. Kalt fühlte sich das an und unfreundlich! Ich, die ich mich das professionelle, freundliche, manchmal auch offenherzige Schweizer Zahnpastalächeln gewohnt war, kam in Schwierigkeiten. Soll ich jetzt auch nicht mehr Grüezi sagen? Jawoll! Das war für mich aber noch unangenehmer. Denn als einsame Grüezisagerin hatte ich wenigstens das Gefühl ich wisse wie man sich benehme. So ganz ohne Nichts drückte es mir aufs Gmüet. Also wieder Grüezi. Einfach so, weils mir Spass macht und gut tut.
Zu diesem Schluss kam ich letzten Frühling. Mittlerweile scheine ich schon tiefer in die vielschichtig laufenden Fäden des täglich-georgischen Miteinanders gerutscht zu sein. Es wird mir nämlich klar, dass wenn sich eine Gesellschaft als Gemeinschaft versteht, ein offizielles Grüezisagen z.B. beim Betreten eines Ladens nicht unbedingt nötig ist. Bei Dir ist bei mir und früher oder später sehen wir uns sowieso wieder. Das ist ein ganz anderes Verständnis von geteiltem Alltag. Irgendwie so läuft das hier.
Letzten Samstag beim Coiffeur hab ich „georgisch“ gut gespürt. Während des ersten Jahres ging ich zu einer europäischen Coiffeurkette, die ein bisschen teuer war. Seit ich jedoch im August von der Schweiz zurück kam, hab ich mich einer Coiffeuse grad hier im Quartier anvertraut. Das geht tipptopp. Seit einem Jahr gehör ich ja auch zu den Haarfärberinnen, in Georgien wird das durch alle Alter gemacht, hemmungslos, das gehört einfach dazu. Demzufolge ist jede Quartiercoiffeuse eine Färbspezialistin. Nun denn. Meinen Coiffeurbesuch letzten Samstag hab ich genossen. Das ging so ungezwungen zu und her, dass es eine Freude war. In das Gespräch, das die Coiffeuse und oder die Nagellackiererin mit den Kunden führten, waren meist alle involviert. Das war nicht so zuerst kommt die eine und dann die nächste, sondern alle zusammen. Ich als nicht klar definierbare Ausländerin wurde nicht integriert. ABER da mein Georgisch mittlerweile so passabel ist, dass ich es wage mich kundzutun, habe ich später, als es ein bisschen ruhiger im Salon wurde, ein Gespräch mit den zwei Frauen begonnen. Und siehe da, sofort waren sie sehr offen und haben mir viel erzählt. Es ist ein gutes Gefühl zu merken, dass ich mich langsam in das Alltägliche der Leute einschalten kann. Yeap!