Folgend eine wahre, vom vielen Erzählen wohl gut gerundete Geschichte aus den 70ern, zu Sowjetzeiten.
Wir befinden uns im tiefen nord-östlichen Sibirien (Tschukotka), wo bis in die 80er Jahre bis zu 2000 km grosse Gebiete weder Verbindungsstrassen noch Eisenbahnen hatten. Die einzige Verbindung nach aussen waren Helikopter, die von Zeit zu Zeit propagandistische Zeitungen abwarfen und Grundnahrungsmittel.
Ein Mingrele (West-Georgien, siehe Blog-Beitrag „Schwarzes Meer“), war dort zu Fuss unterwegs, auf der Suche nach Arbeit, von Dorf zu Dorf. Eines Tages begegnete ihm ein Rentierhirte, der glücklich die Hände zusammenschlug, als er ihn sah: „Du musst der Englischlehrer sein, auf den sie im Dorf schon seit zwei Wochen warten!“ Giorgi, so hiess der Mingrele, liess sich vom Hirten zum Dorf führen, wo er herzlich begrüsst wurde. Es wurde ihm eine kleine Wohnung zugewiesen, man zeigte ihm die Schule und schon bald begann er zu unterrichten. Fünf Jahre waren vergangen, als es eine seiner Schülerinnen schaffte, sich für ein Sprachstudium in Moskau anzumelden. Nach langer Reise kam sie in Moskau an und wurde an der Uni auf ihr Sprachniveau geprüft. Die Leute schauten sich verdutzt an. Was dieses Mädchen wohl für eine Sprache rede? Also Englisch konnte es nicht sein, da waren sich die PrüferInnen einig. Es wurden Nachforschungen angestellt und es kam heraus, dass die Kinder im Dorf nicht in Englisch unterrichtet wurden, sondern – Mingrelisch.
Giorgi bekam eine Haftstrafe von 8 Jahren.