Politisches

Ich wurde per email gefragt, wie in Georgien die Aktivitäten der Türkei gegenüber den Kurden gesehen werden. Ja, Georgien hat eine gemeinsame Grenze mit der Türkei. Und das war’s dann schon mit den Gemeinsamkeiten. Interesse und Sympathie für muslimische Völker sind in Georgien ziemlich abstinent, habe ich den Eindruck. Niemand wünscht, dass im Ausland Blut vergossen wird, gleichzeitig wird für keines dieser Völker eine Träne verschenkt.

Zu oft wurde das Gebiet des heutigen Georgiens in der Vergangenheit von Persern, Mongolen, Arabern, Osmanen und Türken angegriffen und unterjocht. Seit dem 4. Jhdt bekennt es sich zum Christentum und hat sich seine Religion standhaft und unter vielen Opfern bewahrt. Wobei das nicht heisst, dass heute für die orthodoxen Nachbarstaaten, Armenien und Russland, grössere Sympathien beständen als für die muslimischen. Ursprünglich waren diese durchaus erwünschte, potenzielle Verbündete gegen die muslimische Welt. Russland enttäuschte jedoch erstmals im 1801 und dann 1921 nochmals. Für was einen kleinen Staat schützen, wenn man ihn sich grad ganz unter den Nagel reissen kann? Und Armenien hat 1918 enttäuscht, als die kaukasischen Staaten unabhängig wurden. Kaum waren die Russen abgezogen und Georgien damit beschäftigt seine Grenze gegen die Türkei zu schützen, eröffnete Armenien einen Grenzkrieg, den Georgien jedoch noch im selben Jahr gewann. Wem also kann man und frau vertrauen? Niemandem.

Heutzutage gibt es vereinzelt Afrikaner, Inder und Pakistani, die nach Tiflis kommen um zu studieren. Die GeorgierInnen verstehen nicht, warum sich diese hierher verirren und würden sie gerne wieder zurückschicken. Diese Haltung hab ich von einem Taxichauffeur gehört als auch von meiner näheren Umgebung. In der tifliser Altstadt befinden sich Kirche, Moschee und Synagoge in unmittelbarer Nähe. Für Touristen der Kassenschlager, als gemaltes Bild. Reelles Sinnbild für ein anerkennendes gesellschaftliches Miteinander ist es aber sicher nicht. Das Nebeneinander entstand, weil Tiflis politisch und ökonomisch auf diese Bevölkerungsteile angewiesen war.

Von viel grösserem Interesse als was die Türkei macht, ist für die GeorgierInnen jedoch was Russland tut. Die neuerdings offizielle russische Grenzziehung, die Abchasien und Südossetien klar russisch zeichnet, lässt Georgien aufheulen. Aber mehr als ein Heulen wird es nicht, kann es nicht werden. Zu gross ist die russische Übermacht. Niemand wäre hier überrascht, würden die Russen ein drittes Mal einmarschieren. Aber lassen wir der Zeit und ihren Entwicklungen ihren Lauf. Wer weiss, was aus der Dunstwolke einer zukünftigen EU Zugehörigkeit wird?

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